Über Jahrhunderte waren die “Marroni” das bedeutende Grundnahrungsmittel für viele Familien in der Schweiz. Auch der Baum lieferte wertvolles Material für den Alltag. Die dunkelbraune Nuss ist nahrhaft, vielfältig, gesund und ein tolles regionales Lebensmittel. Deswegen findest du diesen Eintrag im Foodlexikon 🙂
Im Herbst 2020 war ich, Pascale, auf einem Roadtrip durch das Tessin. In der südlichen Region beging ich den sogenannten Kastanienweg und lernte dabei viel über die Marroni. Auf dem Teller begegnete mir die Kastanie erneut, in Form von köstlichen Marroni-Spätzli und Vermicelles.
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Der Baum wächst auf der Alpensüdseite zwischen 200 bis 1000 m ü. Meer
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Marroni lassen sich pur roh, gekocht, gebacken und geröstet geniessen. Verarbeitet gibt es sie in Form von Mehl, Brot, Teigwaren, Torten, Konfitüren oder Biere.
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Bis zum San Martino am 11. November dürfen unter privaten Bäumen keine Marroni gesammelt werden.
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Die mächtigen Bäume können bis zu 700 Jahre alt werden!
Der Baum des Brotes: Die Geschichte der Marroni in der Schweiz
Die Marroni waren einst als Grundnahrungsmittel ein wesentlicher Bestandteil der Schweizer Bevölkerung. Vor allem im Tessin und im französisch sprachigen Teil der Schweiz steuerten die Marroni Kohlenhydrate und wichtige Vitamine zur täglichen Versorgung bei.
Nach den zwei Weltkriegen im 20. Jahrhundert ging der Bedarf an Edelkastanien deutlich zurück. Seit in den neunziger Jahren der Wert der Kastanienselven erkannt wurde, wird viel daran gesetzt, das kulinarische Erbe zu bewahren und wieder aufleben zu lassen.
So werden die unzähligen Edelkastanienbäume im Tessin wieder gepflegt und teilweise bewirtschaftet. Jedes Jahr findet zudem im Herbst das “Kastanienfest” statt. Mehrere Wochen dreht sich alles um die nahrhafte Nuss.
Die Edelkastanie wurde aber nicht nur als Nahrung genutzt: Ihr Holz eignet sich gut zum Bauen. So besteht beispielsweise Kirchentüren in Maltacone aus dem Kastanienholz. Neben dem Bauen wurde auch massiv Kohle aus dem Holz gewonnen: Die Köhler der Region versengten das Holz so lange, bis noch die Kohle übrig war. So war das Tessin ein wichtiger Zulieferer von Kohle in Mailand!
Die Edelkastanie konnte aber auch zum Gerben von Leder genutzt werden, da sie viel Gerbsäure enthält. Und ihre Blätter dienten als Einstreu für die gehaltenen Tiere.
Als ich all dies auf dem Kastanienweg erfuhr, wusste ich, weshalb diese Bäume so eine grosse Bedeutung für die Region haben!
Marroni als Lebensmittel
Die Vielfalt der dunkelbraunen Nuss ist nicht zu unterschätzen. Sie brilliert als Mehl, duftende Röstkastanien, leckeres Getreide und auch als Bier. Eben gesammelte Marroni können sogar roh gegessen werden!
Wir mögen die Marroni gerne als Vermicelles, frisch geröstet und als Suppe!
Rezepte mit Marroni
Nebst den vielseitigen Einsatzmöglichkeiten sind die Marroni aber auch sehr gesund:
Maronen sind voller wertvoller Inhaltsstoffe. Sie enthalten:
hochwertiges Eiweiss, weniger Fett als Nüsse, wichtige Mineralstoffe und Spurenelemente (Kalium, Calcium, Phosphor, Schwefel, Eisen, Magnesium, Kupfer, Mangan), Vitamin E, C und alle B-Vitamine sowie das Provitamin A.
Vitalabo
Ernte der Marronibäume
Ab September bis November fallen die Kastanien von den Bäumen. Dann ist es Zeit, die Marroni aufzusammeln. Die Kastanienbäume gehören grundsätzlich Landwirten und Privatpersonen. Wenn der Boden unter den Bäumen also gekehrt ist, dann solltest du darauf verzichten die Marroni zu sammeln.
Es geht schon mit dem Sammeln los, was immer ein grosser Spass für alle ist. Unter freiem Himmel, in der Natur – und wer eine grosse Kastanie entdeckt, fühlt sich wie ein erfolgreicher Schatzsucher.
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Tipps zum Sammeln von Marroni
- Sammle vor dem 11. November nur bei offensichtlich öffentlich stehenden Bäumen. Unter diesen Bäumen ist der Boden meist nicht geharkt und das Gras nicht gemäht.
- Wenn du in einem bekannten Gebiet für die Marroni bist, gehst du am besten am Morgen früh los. Dann konnten in der Nacht viele Marroni herunterfallen und die besten wurden noch nicht gesammelt.
- Achte dich bereits beim Sammeln auf möglichen Pilzbefall oder Wurmlöcher.
- Nimm Handschuhe mit! Die Edelkastanie ist im Vergleich zur Rosskastanie unglaublich stachelig.
Die richtige Aufbewahrung von Marroni
Früher: Austrocknung in der Grà
Früher wurden die Kastanien in sogenannten “Gràs” verarbeitet. Dies sind kleine Hütten, in welchen die Marroni getrocknet werden. Etwa drei Wochen lang werden die Kastanien im Rauch getrocknet. Anschliessend wird die Grà entladen und die Besitzer erhalten die fertig getrockneten und geschälten Marroni.
Das Haus besteht aus zwei Stockwerken. Im unteren zündet man ein Feuer an, das etwa drei Wochen lang (von Oktober bis November) kontinuierlich brennen und Rauch entwickeln muss. Oben auf einem Feuerrost liegen mehrere hundert Kilo Kastanien zum Trocknen. Danach werden sie gereinigt und gemahlen und aus dem Mehl lässt sich allerlei Gutes machen!
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Für Zuhause können die Marroni für einige Tage in Wasser gegeben werden. Schwimmen sie obenauf, sind sie verdorben. Die abgesunkenen lassen sich dann gut verkochen oder trocknen. Mehr zur richtigen Verarbeitung erfährst du in diesem Beitrag von Mahler & Co.
Die Marroni erleben: Ab ins Tessin
Die Marroni kannst du im Tessin wunderbar erleben. Hier findest du Empfehlungen für Wanderwege unter den Kastanienbäumen.
Wir haben auf unserer Reise durch das Tessin den Kastanienweg im Malcantone Gebiet gemacht. Die Hinweistafeln waren sehr informativ und gaben einen spannenden Kontext zum Erwanderten. Ich empfehle dir auf alle Fälle gute Wanderschuhe, genügend Wasser und fünf bis sechs Stunden Wanderzeit. Es lohnt sich!
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