Die Aussage «ich werfe kaum etwas weg» gehört in etwa in die gleiche Kategorie, wie «ich esse selten Fleisch». Wir alle wissen, dass Essen wegzuwerfen schlecht ist – und tun es trotzdem. Foodwaste gehört zu den grössten Klimasünden überhaupt. In dieser Reportage zeigen wir dir, weshalb.
«Das was wir essen und was wir eben NICHT essen, ist ein relevanter Teil der nachhaltigen Entwicklung.»
Wir treffen Gina Mühlebach um mit ihr über Foodloss und Foodwaste zu sprechen. Sie schreibt derzeit, neben ihrer Anstellung als Wissenschaftliche Assistentin an der Berner Fachhochschule, an ihrer Masterthesis für den «Master of Science in Life Sciences mit Vertiefung in Food, Nutrition & Health» und ist bestens mit dem Thema vertraut.
Im Rahmen der Kulinata 2021 führen wir, in Zusammenarbeit mit dem Amt für Umweltschutz der Stadt Bern, Interviews mit Expert:innen zu Themen der nachhaltigen Ernährung. Die Kulinata ist das Festival für nachhaltige Ernährung und findet, mit unterschiedlichsten Veranstaltungen für Gross und Klein, vom 18. bis 24. September 2021 in und um Bern statt.
Was genau sind Foodloss und Foodwaste?
Beide Begriffe beziehen sich auf den Sachverhalt, dass Lebensmittel zwar für die menschliche Ernährung produziert werden, jedoch nicht für diese verwendet werden. Der Unterschied besteht darin, durch welche Akteure die Lebensmittel innerhalb der Wertschöpfungskette entsorgt werden.
Foodloss ist, wenn Lebensmittel bereits am Anfang der Wertschöpfungskette verloren gehen. Beispielsweise, wenn Gemüse aufgrund seiner Grösse nicht geerntet wird und auf dem Feld bleibt. Oder, wenn in Mühlen Weissmehl hergestellt wird, die die anfallende Kleie – übrigens wertvolle Nahrungsfasern – ihren Weg jedoch nur ins Tierfutter finden.
Foodwaste beschreibt den Verlust von Lebensmitteln in späteren Stufen der Wertschöpfungskette. Alles, was nicht verkauft wird oder Zuhause weggeworfen wird, nennt sich Foodwaste. Wenn ich Brot wegwerfe, dann verursache ich Foodwaste.
Beides, Food Loss und Food Waste ist ein Verschleiss an immer knapper werdenden Ressourcen“. Jedoch ist Foodwaste um einiges gravierender: Je weiter ein Lebensmittel in der Wertschöpfungskette ist, desto mehr Ressourcen wurden bereits aufgewendet.
Treiber der Klimakrise
Vom Feld bis in die Haushalte werden in der Schweiz etwa ein Drittel aller Nahrungsmittel weggeworfen. Ein Viertel unserer, durch die Ernährung verursachten, Umweltbelastung fällt durch Foodwaste und Foodloss an.
«Food Waste verursacht so viel Umweltbelastung, wie die Hälfte aller Autofahrten in der Schweiz.»
https://foodwaste.ch/was-ist-food-waste/
Kaum zu glauben, oder?!
Doch wieso ist es so schlimm, wenn wir «ab und zu» etwas wegwerfen?
Jedes Lebensmittel benötigt einiges an Ressourcen für seine Herstellung:
- Anbaufläche und Nährstoffe im Boden für pflanzliche Lebensmittel
- Tierfutter und Tierhaltung für tierische Lebensmittel
- Wasser
- Raum zu Lasten der Biodiversität: Dadurch, dass mehr Land als nötig für den Anbau gebraucht wird geht der natürliche Lebensraum zurück
- Energie, für die Heizung von Gewächshäusern und den Antrieb von Maschinen
- AllenfallsPestizide, Dünger und Verpackungen
- Wertvolle Zeit und Arbeitskraft von uns Menschen für die Pflege, Ernte, Verpackung usw.
- Energie und Treibhausgase für den Transport und Vertrieb
Wird ein Lebensmittel weggeworfen, werden all diese Ressourcen verschwendet. Gleichzeitig ist eine Entsorgung über die Kehrichtabfuhr oder das Abwasser zusätzlich belastend: Selbst das Kompostieren – bei dem Nährstoffe wieder in den Kreislauf gelangen – reduziert das Potential der Lebensmittel, denn Lebensmittel werden einzig und allein dafür produziert, gegessen zu werden. Wobei selbst das Kompostieren nicht sinnvoll ist, werden die Ressourcen doch bloss für die Produktion von Lebensmitteln aufgewendet.
Ein ethisches Problem
Nebst dem grossen Einfluss auf unser Klima ist es, aus unserer Sicht, ethisch verwerflich Lebensmittel zu verschwenden. Schliesslich hungern jeden Tag Millionen von Menschen auf unserem Planeten. Mit der Menge an produziertem Essen könnten wir ALLE ernähren.
«Lebensmittelabfälle verschärfen die Problematik der weltweiten Ernährungssicherheit. Weil nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit ein Drittel aller Lebensmittel verschwendet wird, erhöht Food Waste die Nachfrage nach Nahrungsmitteln. Aufgrund des knappen Bodens verursacht dies eine Preissteigerung auf dem Weltmarkt. Diese Teuerung betrifft die Ärmsten, verschärft deren Armut und führt dazu, dass in vielen Regionen der Welt nicht genug Nahrung für die Menschen vorhanden ist.”
https://savefood.ch/de/das-problem-food-waste.html
Wo fällt Foodloss und Foodwaste an?
Für die Lebensmittelverschwendung sind nicht nur die Produktion, der Vertrieb und die Gastronomie verantwortlich, sondern zu einem wesentlichen Teil die Privathaushalte.
So wirft jede:r von uns jedes Jahr um die 90 Kilogramm Lebensmittel weg.
Also du und ich. Wir alle.
Gestern warfen wir zwei ultra-schrumpelige Rüebli und etwas Resten der Resten vom Mittagessen in den Kompost. Morgen wird es vielleicht etwas altes Brot sein. Natürlich finden wir das nicht gut, aber es passiert uns immer wieder. Genau diese kleinen Handlungen tragen dazu bei, dass sich die Menge an weggeworfenen Lebensmitteln so summiert!
Umgerechnet werfen wir alle so jedes Jahr über sechshundert Franken weg. Das muss mensch sich auch erstmal leisten können.
Was du als Privatperson gegen Foodwaste tun kannst
Je weiter «hinten» ein Lebensmittel in der Wertschöpfungskette weggeworfen wird, desto schlimmer. Ob ein Bauer das Grün vom Rüebli entsorgt oder du ein Stück Brot ist ein wesentlicher Unterschied. Für das Brot musste nämlich bereits viel mehr Aufwand betrieben werden. Und deswegen können gerade Verhaltensänderungen in den Privathaushalten unsere Umwelt besonders entlasten – wobei es auf jede Person ankommt! Und das beginnt bei uns und bei dir.
Fünf erste, mentale Schritte gegen Foodwaste
Mit den folgenden Tipps kannst du an deiner Gewohnheit arbeiten, Lebensmittel wegzuwerfen. Suchst du konkrete Anwendungstipps für den Alltag? Dann lies unseren Beitrag So verhinderst du Foodwaste Zuhause – Unsere fünf (einfachen) Gewohnheiten
- Zuerst einmal: Gestehe dir ein, dass du Lebensmittel wegwirfst. Du änderst damit nichts an der Tatsache, aber wirst dir deiner Handlungen überhaupt erstmal bewusst.
- Überlege dir dann, weshalb du etwas wegwirfst.
- Was wirfst du weg? Wenn du weisst, was du wegwirfst, kannst du dich dafür sensibilisieren.
- Überdenke deine Einstellung gegenüber Essen: Führ dir den Wert der aufgewendeten Ressourcen und Arbeitskraft vor Augen, auch wenn sie weit entfernt scheinen.
- Setze die Tipps auch wirklich um. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Doch eine Absicht ist ein guter Anfang auf dem Weg zur Verhaltensänderung.
Nun interessiert uns: Was wandert bei dir öfters in den Abfall?
1 Kommentar
Hi
Danke für den Artikel. Den Begriff Foodloss habe ich neu entdeckt und das obwohl ich erst gerade einen sehr ausführlichen Artikel zum Thema Food Waste geschrieben habe (https://einfachweniger.ch/blog/food-waste-guide-zur-lebensmittelverschwendung/), aber wie geschrieben, das Problem ist sehr weitreichend. Und genau das ist wahrscheinlich das Problem: warum einen Tropfen sparen? Das macht keinen Unterschiede, aber viele Tropfen ergeben auch ein Glas.